Fragen zum Volksbegehren „Betongflut eindämmen“ an
Dr. Margaret Röder-Weber und Johannes Lessing,
Sprecherin und Sprecher des OV Stephanskirchen von Bündnis 90 – Die GRÜNEN
Hallo Margret und Johannes. Im letzten Gemeindekurier wurde das Volksbegehren ja schon vorgestellt. In der Tagespresse konnte man kürzlich lesen, dass mit mehr 46 000 Unterschriften die erforderliche Zahl von 25 000 bereits deutlich überschritten ist. Beendet Ihr nun die Unterschriftensammlung und wie geht es jetzt weiter?
Margret Röder-Weber: Wir freuen uns sehr darüber, dass das Volksbegehren einen so großen Zuspruch erfährt. Das ist auch wichtig, denn wenn es mit dem Flächenverbrauch so weiter geht, wie bisher, werden wir Bayern schon bald nicht mehr wiedererkennen: Bayern verliert sein Gesicht! Obwohl die erforderlichen Unterschriften beisammen sind, werden wir weiter sammeln. Denn jede zusätzliche Unterschrift ist auch in dieser ersten Phase ein deutliches Signal an die Staatsregierung und die CSU, dass nun Schluss sein muss mit dem Flächenfraß.
Johannes Lessing: Wir befinden uns jetzt noch in der ersten Phase des Volksbegehrens. Die 25 000 Unterschriften sind für den Zulassungsantrag nötig. Nachdem die Unterschriften geprüft sind, kann dann beim bay. Innenministerium das Volksbegehren beantragt werden. Das wird möglicherweise schon im Februar 2018 geschehen. Dann kommt die erste größere Hürde: Die Staatsregierung muss das Volksbegehren zulassen. Je mehr Unterschriften wir schon jetzt sammeln, desto schwieriger wird es für die CSU Staatsregierung, das Volksbegehren mit juristischen Tricks zu verhindern. Deswegen werden wir auch hier in Stephanskirchen weitersammeln, zum Beispiel an Infoständen in Schloßberg und Haidholzen.
Margret Röder-Weber: Wenn das Volksbegehren zugelassen wird, folgt die nächste große Herausforderung: Innerhalb eines 2-wöchigen Zeitraums müssen sich ca. 1 Millionen wahlberechtigte Unterstützer des Volksbegehrens in Listen eintragen, die in den Gemeinden ausliegen. Nur wenn dieses Ziel erreicht wird, kommt es zum eigentlichen Volksentscheid. Die Erfahrung zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit diese Hürde zu knacken umso größer wird, je mehr Menschen schon beim Zulassungsantrag unterschrieben haben. Auch deswegen sammeln wir weiter!
Margret, Du hast eben gesagt, Bayern verliert durch den Flächenfraß sein Gesicht. Ist das nicht etwas übertrieben?
Margret Röder-Weber: Keineswegs! Der Flächenverbrauch in Bayern hat sich in den letzten Jahren erheblich gesteigert. JEDEN TAG werden rund 13 Hektar Land zubetoniert. Und das passiert nicht nur im fernen München, sondern auch bei uns vor der Haustüre. Damit muss endlich Schluss sein! Das Volksbegehren möchte den bayerischen Flächenverbrauch auf 5 Hektar pro Tag begrenzen.
Schön und gut. Aber was ist denn überhaupt das Problem am Flächenverbrauch?
Johannes Lessing: Zunächst mal ist es ein Problem für unsere Umwelt. In der Folge sind dann aber auch wir Menschen betroffen, denn unsere Ökosysteme sind brüchige Systeme. Weniger natürliche Flächen bedeutet: Weniger Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Schon heute gibt es einen dramatischen Schwund vor allem bei Insekten und in der Folge davon auch bei den Vögeln. Die Verluste nicht nur an Arten, sondern auch an Masse von Flora und Fauna werden irgendwann unumkehrbar. Die Zeitungen haben darüber im vergangenen Jahr ausführlich berichtet. Immer mehr Tiere, die vor wenigen Jahren noch zu den „Allerweltsarten“ gehörten, wie Amsel, Star, Igel oder Feldhase machen sich rar und sind bedroht.
Margret Röder-Weber: Außerdem führen versiegelte Flächen zu mehr Überschwemmungen. Während in Wiesen und Wäldern das Regenwasser versickert und erst nach und nach in die Bäche und Flüsse fließt, wird es auf Beton und Asphalt sofort in die Gewässer abgeleitet. Bei starken Regenfällen können diese die Wassermengen nicht mehr aufnehmen und es kommt zu Überschwemmungen. Auch das können wir bei uns in der Region vermehrt beobachten. Der Flächenverbrauch ist zudem ein Problem für die Landwirtschaft. Neue Gewerbegebiete oder Straßen gehen stets zu Lasten von Acker- und Weidefläche.
Johannes Lessing: In den vergangenen Jahren sind Gewerbegebiete und Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ und fernab der Ortszentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Erst kürzlich hat der künftige CSU Ministerpräsident Söder ein Gesetz durch den Landtag gepeitscht, dass solche Fehlentwicklungen weiter fördert. Die Folgen lassen meist nicht lange auf sich warten: In den Stadt- und Ortszentren machen immer mehr Geschäfte dicht. Bäcker, Metzger, Lebensmittel- und Bekleidungsläden verschwinden und die Ortszentren veröden. Menschen, die über kein Auto verfügen, werden von der Versorgung abgeschnitten. Und vor allem ändert sich das Landschaftsbild: Es dominieren Gewerbegebiete, Einkaufszentren und Logistikhallen und nicht mehr über Jahrhunderte gewachsene Städte und Dörfer und Kulturlandschaft.
In der Öffentlichkeit verkauft sich doch aber gerade die CSU immer gerne als Garant für die Bewahrung der bayerischen Kultur und Lebensart. Wie passt das denn zusammen?
Margret Röder-Weber: Gar nicht! Der bekannte Umweltschützer Hubert Weinzierl machte vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung auf eben diesen Widerspruch aufmerksam: Auf der einen Seite beschwört die Politik in Reden und mit viel Folklore immer wieder das hohe Lied von der „Bewahrung von Heimat und Kultur“, während gleichzeitig eben diese Heimat mehr und mehr zubetoniert wird. Weinzierl sagt, dass wir mit dem Flächenverbrauch an einen Punkt angekommen sind, ab dem die Umkehr unmöglich wird, die Verluste nicht mehr ausgeglichen werden können.
Aber Ihr werdet doch nicht abstreiten, dass man den Flächenverbrauch nicht einfach abschaffen kann, oder? Was ist mit dem Wohnungsbau? Wo sollen denn z.B. sonst bezahlbare neue Wohnungen entstehen, die überall und so dringend gebraucht werden?
Johannes Lessing: Das stimmt. Ganz ohne Flächenverbrauch wird es nicht gehen. Und ja: bezahlbarer Wohnraum ist eine knappe Ware geworden. Das könnte schon bald enorme soziale Sprengkraft entfalten. Insofern sind Nulllösungen beim Flächenverbrauch – so wünschenswert sie im Sinne der Umwelt sicher wären – nicht realistisch. Weinzierl rät deshalb einerseits mehr in die Höhe zu bauen und zwar bei Wohnraum ebenso wie bei Werkstätten und Industriebauten und andererseits auch mehr in die Tiefe zu bauen. Einkaufzentren sollten statt traditioneller Parkplätze mehr Tiefgaragen bauen. Das ist zwar teurer, aber aus Umweltgründen dringend geboten.
Und was ist mit Stephanskirchen?
Margret Röder-Weber: Das Thema Flächenverbrauch ist auch bei uns brisant und hochaktuell. Darauf haben wir im letzten Gemeindekurier bereits hingewiesen. Wir haben die Sorge, dass bei konkreten Fällen mit dem Thema Flächenverbrauch in Stephanskirchen immer wieder zu leichtfertig umgegangen wird. Diese Entwicklung schadet Stephanskirchen und seinen Bürgern.
Johannes Lessing: Unsere Aufgabe in Stephanskirchen ist es, diese Entwicklung deutlich beim Namen zu nennen, auch wenn wir uns dabei nicht immer Freunde machen. Aber: Wer, wenn nicht wir Grünen, haben die Pflicht, uns konsequent für die Belange der Umwelt und damit für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen! Das werden wir auch weiterhin tun!
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für das Volksbegehren!
Die Fragen stellte Quirin Kirchhof, Haidholzen. Weitere Informationen zum Volksbegehren und Unterschriftenlisten erhalten Sie bei uns bzw. direkt über das Organisationsbündnis Betonflut eindämmen http://www.betonflut-eindaemmen.de/
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